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10. Juni 2021

Die GmbH gebV als Rechtsformalternative für den Mittelstand?

In der rechtspolitischen Diskussion in Berlin wird ein von der Stiftung Verantwortungseigentum vorgelegter Gesetzentwurf zur „GmbH mit gebundenem Vermögen“ (GmbH gebV) von vielen Parteien unterstützt. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Rechtsform ab 2023 Realität werden könnte. Wir beleuchten, ob diese Rechtsform für Sie als unsere Mandanten gerade im Kontext von Nachfolgegestaltungen eine interessante Option sein könnte.

 

Der rechtspolitische Hintergrund

Die Motive der Initiatoren werden journalistisch aufbereitet in einem Beitrag des Deutschlandfunks ›  dargelegt.

Der Beitrag ist freilich sachlich unzutreffend, als er in Minute 5:36 am Beispiel „Robert Bosch“ von einer „komplizierten Stiftungskonstruktion“ spricht. Die klassische Doppelstiftung mit gemeinnütziger Stiftung einerseits (steuerfrei) und Privatstiftung andererseits (mit Erbersatzsteuer) ist ein Klassiker, ein evergreen der Nachfolgegestaltung, der weder komplex oder kompliziert ist.

Noch interessanter, wenn auch etwas pflegeaufwendiger werden diese Modelle, wenn mit Ihnen auch das suboptimale, weil testierendenfeindliche deutsche Pflichtteilsrecht vermieden werden soll und zu diesem Zweck ausländische Stiftungen (wie z. B. die liechtensteinische) verwendet werden sollen.

 

Der Gesetzesentwurf zur GmbH gebV

Der Gesetzesentwurf ist unter https://www.gesellschaft-mit-gebundenem-vermoegen.de/gesetzesentwurf ›  verfügbar. Er wurde eindeutig von akademischen Gesellschaftsrechtlern geprägt. Er sieht rechtstechnisch eine Ergänzung des GmbHG vor. Die neue GmbH gebV orientiert sich an zwei Grundsätzen:

  • Erstens sollten Gesellschaftskapital und Unternehmensgewinne mittels geeigneter Governance dauerhaft gebunden sein (asset-lock). Die Gesellschafter sollen im gesamten Lebenszyklus des Unternehmens keinen Anspruch auf die Gewinne und das Vermögen der Gesellschaft haben. Hierfür werden Anpassungen in Bezug auf die Regeln der Finanzverfassung vorgenommen, wobei den Regelungen zur Verhinderung verdeckter Gewinnausschüttungen besondere Bedeutung beigemessen wird.
    Eine Verpflichtung auf einen besonders gemeinwohlförderlichen, nachhaltigen Zweck soll nicht erforderlich sein. Der Entwurf verargumentiert dies positiv, denn die GmbH gebV solle kein Siegel für besonders wertvolles Unternehmertum darstellen. Tatsächlich wird die Restriktivität des deutschen Gemeinnützigkeitsrechtes „unbearbeitet liegen gelassen wird“.

  • Zweitens soll die Unternehmensverantwortung auf Ebene der Gesellschafter unabhängig von Familie und Vermögen innerhalb eines engen Gesellschafterkreises übertragen werden können. Der Entwurf sieht – unseres Erachtens – die Gesellschafter mithin finanziell eher als „Treuhänder“ denn als Eigentümer. Der Gesetzentwurf begrenzt den Kreis möglicher Gesellschafter, beschränkt die Veräußerlichkeit der Anteile und ermöglicht den Gesellschaftern, die Vererblichkeit der Anteile zu beschränken.
    Weil die zwingende Vermögensbindung die Anreize der Beteiligten strukturell verändert, bedarf es schließlich einer geeigneten Governance-Struktur, die vor allem Vorkehrungen dafür treffen muss, dass Gesellschafter mit finanziellen Interessen die Vermögensbindung nicht (verdeckt) umgehen. Die Eigentümer haben die Gestaltungsfreiheit, für sie passende Governance-Lösungen zu entwickeln, müssen diese allerdings durch Veröffentlichung im Internet transparent machen.

Schließlich soll mittels u. a. dem Umwandlungsrecht sichergestellt werden, dass der dauerhafte asset-lock nicht durch Umwandlungsvorgänge oder Unternehmensverträge umgangen werden kann.

Bewertung

  1. Grundsätzliches

    Der Gesetzesentwurf „atmet“ den Geist von Theoretikern und Idealisten (was per se nicht nachteilig sein muss), vernachlässigt dabei aber, dass in der Praxis 51 % des deutschen Gesellschaftsrechts durch steuerliche Notwendigkeiten geprägt werden. Und genau bezüglich dieser steuerlichen Komponente ist der 115 Seiten lange Gesetzesentwurf sehr „dünn“. Allein die Platzierung des steuerrechtlichen Teils innerhalb des Gesetzentwurfes sagt einiges.

    In der Gesetzesbegründung heißt es – was für die Nachfolgegestaltung wichtig ist: „Durch die Einfügung der Wörter „ebenso der Erhalt einer Zahlung im Sinne des § 77k des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung“ wird sichergestellt, dass jedwede Kapitalrückzahlung (-erstattung) an die Gesellschafter vor Ablauf der Behaltensfrist (§ 13a Abs. 3 S. 1 bzw. Abs. 10 S. 1 Nr. 2 ErbStG) begünstigungsschädlich ist. Angesichts der erheblichen Rechtsunsicherheit und entsprechender Meinungsstreitigkeiten um die Auslegung mehrerer Tatbestandsmerkmale der bisherigen Nr. 4 ist dies sonst nicht gewährleistet. Die (Rück-)Zahlung im Sinne des § 77k GmbHG-gebV muss aber begünstigungsschädlich sein, da sonst Steuerumgehungsgestaltungen drohen. Privatvermögen könnte im Gewande der GmbH in die Begünstigungen der §§ 13a ff. ErbStG hineingezogen werden. Dies wäre rechtspolitisch verfehlt und verfassungswidrig.“ (Seite 114/115)

    Ansonsten sollen sich für die laufende Besteuerung (also KStG, GewStG) keine Abweichungen gegenüber der „normalen“ GmbH ergeben.

  2. Limitierte Begünstigungsfähigkeit gem. § 13a ErbStG

    Im Rahmen der Nachfolgegestaltung ist für Unternehmensgründer die (weitgehend) steuerfreie Übertragung der Anteile an der Gesellschaft z. B. innerhalb der Familie im Wege der (vorweggenommenen) Erbfolge essentiell. Der Gesetzesentwurf jedoch erweitert den Rahmen hierfür in keiner Weise, sondern will darüber hinaus Kapitalrückzahlungen vor Ende der Haltefrist des § 77k GmbHG n.F. explizit als nicht begünstigungsfähig statuieren.

    Da die GmbH gebV konstruktionsbedingt keine Dividenden ausschütten darf (asset lock), spiegelt sich das thesaurierte Kapital entweder im Unternehmenswert wider (falls hoffentlich gut investiert) oder führt zu einer Cash-Akkumulation, die ihrerseits durch den höheren Anteil an Verwaltungsvermögen eine Begünstigungsfähigkeit beim Betriebsvermögensabschlag gefährdet. Berücksichtigt man diesen Umstand, gehen wir davon aus, dass die beratende Zunft von der neuen Rechtsform abraten muss (Haftungsrisiko), falls der Gründer gerade auch die familiäre Nachfolgeplanung im Blick hat. Zumindest ist sie als Instrument hierfür ungeeignet, weil sie ohnedies manifeste steuerliche Risiken beim Betriebsvermögensabschlag konstruktionsbedingt zusätzlich verschärft. Dies gilt ceteris paribus bereits gegenüber einer „normalen“ GmbH, von optimierten Gestaltungen z. B. mit einer Doppelkonstruktion aus Familienstiftung und gemeinnütziger Stiftung gar nicht zu reden.

  3. Nachfolgesituation bei Anteilsübertragung unter Lebenden

    Bei Durchsicht des § 77c GmbHG n.F. mit der Limitierung der grundsätzlichen Übertragbarkeit der Geschäftsanteile fragt sich der geneigte Praktiker schon gesellschaftsrechtlich, warum dies als innovativ gelten soll. Wir jedenfalls verwenden, falls ein Eindringen familienfremder oder nicht-natürlicher Personen ausgeschlossen werden soll, Standardklauseln bspw. aus dem Musterhandbuch von Fuhrmann/Wälzholz (Fuhrmann/Wälzholz (Hrsg.) „Formularbuch Gesellschaftsrecht“, 3. Aufl., 2018) mit ganz ähnlichen Formulierungen wie der Gesetzentwurf, die die Geschäftsanteile so vinkulieren, dass in Kombination mit Einziehungs- bzw. Zwangsabtretungsklauseln und der üblichen Buchwert- nebst Wertauffangklausel schon heute in GmbH-Satzungen vielfach das steht, was hier – man muss es leider sagen: aufgewärmt – dem Publikum als Gesetzentwurf dargereicht wird. Ganz abgesehen davon, dass man diese personale Bindung durch den Wechsel auf eine GmbH & Co. KG absolut sicherstellen kann.

    Wir können uns nicht vorstellen, dass diese Vorlage der kritischen Betrachtung der Abt. III des BMJV sowie der Ministerien in den Bundesländern Stand halten wird. Wozu bedarf es einer expliziten gesetzlichen Regelung von in der Kautelarpraxis vollkommen üblichen und in der Rechtsprechung anerkannten Gestaltungen? Ganz jenseits der gesellschaftsrechtlichen Praxis wird eine künftige Bundesregierung, die auf mehr Innovation und Tempo in Deutschland setzen muss und wird, mit dem Umstand konfrontiert werden, dass der Gesetzentwurf eher weitere Probleme schafft.

    Wenn man nun die steuerlichen Effekte bei einer möglichen Übertragung in den Blick nimmt, wird das Bild noch düsterer: Eine Anteilsabtretung von Person A an B bei der GmbH gebV führt zu adversen steuerlichen Effekten auf Ebene der Anteilsinhaber: Da die Dividenden in der GmbH gebV akkumuliert werden müssen, spiegeln sich diese bei einer Transaktion im von B zu zahlenden Kaufpreis wider, da zu den dem normalen Unternehmenswert (cash and debt free) eben auch Cash-Positionen addiert werden müssen (gleichgültig, ob in den Rücklagen offen passiviert). Geht man davon aus, dass der Anteil von A > 1 % war, bedeutet dies, dass bei Veräußerung des Geschäftsanteils an B eine Versteuerung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG stattfindet, also die Differenz zwischen Veräußerungspreis und Anschaffungskosten mit einem Steuersatz von typischerweise 47,475 Prozent (inkl. SolZ, ohne KiSt) belastet ist (im Vergleich zu einer hypothetischen Belastung der Dividenden mit 26,375 Prozent (inkl. SolZ, ohne KiSt)). Da jeder Unternehmer diese steuerliche Belastungsdifferenz von 21,1 Prozentpunkten einkalkulieren muss, führt dies zum Fazit: Die GmbH gebV ist für die Transaktion unter Lebenden steuerlich eher ungeeignet.

    Der simple steuerliche Regelfall der „normalen“ GmbH mit ausgeschütteten und reinvestierten Dividenden ist steuerlich deutlich günstiger, entweder weil der Unternehmensträger keine nicht benötigte Liquidität ansammelt, die bei einer späteren Transaktion ungünstig hoch besteuert wird, oder weil – Investitionsbedarf gegeben – in der normalen Schütt-aus-hol-zurück-Situation die Anschaffungskosten aus Sicht des Anteilseigners steigen und damit bei einer potentiellen Anteilsveräußerung die Differenz zwischen Verkaufspreis und Anschaffungskosten sinkt, mithin die Steuerlast.

 

Fazit

Dem geneigten Publikum wird mit viel idealistischem Aplomb eine „neue“ Rechtsform präsentiert, quasi die „GmbH für eine bessere Welt“, die dem Realitätstest des Praktikers leider nicht Stand hält. So überflüssig (wenn auch unschädlich) die Regelungen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene einerseits sind, weil durch entsprechende, weithin am Beratungsmarkt übliche Kautelen bereits heute jederzeit verfügbar, so nachteilig ist die Konstruktion steuerrechtlich mit Blick auf die Nachfolgesituation, gleichgültig, ob unter Lebenden oder zum Zweck der (vorweggenommenen) Erbfolge. Sollte ein Unternehmer-Mandant zumindest auch die Nachfolgesituation bei der Konstruktion des Unternehmensträgers (also der Rechtsform) geprüft haben wollen, kann ihm ceteris paribus auf Basis des vorliegenden Gesetzentwurfes zur GmbH gebV nicht geraten werden (Haftungsrisiko: Fehlberatung), es sei denn er würde unterschreiben, dass er nach Belehrung wissentlich das Risiko einer Übermaßbesteuerung akzeptiert.

 

Ausblick

Dies macht aber die Diskussion um die „richtige“ Rechtsform für Sozialunternehmer nicht obsolet. Die Diskussion und die Frage des asset-lock stammt aus UK, das hier wie so häufig schon etwas weiter ist › .

Betrachtet man die Lage in Deutschland, sollten Unternehmer, die ein Unternehmen mit einem starken sozialen Impetus als Mission (Unternehmenszweck) gründen und betreiben wollen, auf die klassischen Gestaltungen rekurrieren, also:

  • eine GmbH mit entsprechender Satzung, ggf. auch
  • eine eG,
  • eine GmbH & Co. KG, oder eine
  • Stiftung & Co. KG, bei höherem Kapitalbedarf auch
  • eine Stiftung & Co. KGaA).

So kann man die gewünschten Ergebnisse beim asset-lock, teilweise auch die Beschränkung auf natürliche Personen und einen bestimmten Personenkreis als Anteilinhaber verankern, ohne steuerliche Negativeffekte auszulösen.

Wichtiger als eine eher akademische Diskussion um die richtige Rechtsform benötigen Gründer von Sozialunternehmen in Deutschland eine effektive Startup-Förderung, die dem besonderen Charakter dieser Sozialunternehmen (Gewinn als Summe von klassischem Gewinn und erzielter externer Wirkung) Rechnung trägt. Dazu ist Förderung durch die Verwendung von Mitteln aus nachrichtenlosen Assets ideal.