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30. Juni 2021

Reform des Stiftungsrechts

Der Bundestag hatte am 24. Juni 2021 das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts ›  beschlossen, dem am Folgetag auch der Bundesrat zustimmte. Hintergrund es Gesetzes ist die Reform des Stiftungszivilrechts. Das Stiftungszivilrecht war bislang neben dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ergänzend und uneinheitlich auch in den 16 Landesstiftungsgesetzen geregelt und wurde nun vereinheitlicht und abschließend im BGB geregelt.

Die uneinheitlichen landesrechtlichen Vorschriften führten dazu, dass die Rechtsform der rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts in den einzelnen Ländern unterschiedlich ausgeprägt war. Dieses Nebeneinander von Bundes- und Landesrecht führte regelmäßig zu Streitfragen und Rechtsunsicherheiten bei Stiftern und Stiftungen. Zudem gab es für Stiftungen bisher kein Register mit Publikationswirkung, sondern nur Stiftungsverzeichnisse.  

Durch die Neufassung der §§ 80 ff. BGB wird das Stiftungszivilrecht zukünftig abschließend von den Landesrechten in das Bürgerliche Gesetzbuch transformiert werden. 

Die Neuregelung soll am 1. Juli 2023 (ursprünglich war der 1. Juli 2022 vorgesehen) in Kraft treten und auf alle bereits bestehenden Stiftungen anzuwenden sein (in Deutschland existieren zurzeit rund 23.300 Stiftungen). 

Die Neuregelungen betreffen im Wesentlichen  

  1. das Vermögen der Stiftung, 
  2. Änderungen der Stiftungssatzung,  
  3. Stiftungsorgane und deren Haftung, 
  4. Zusammenlegung von Stiftungen und 
  5. die Schaffung eines zentralen Stiftungsregisters.  

Das Ziel des Gesetzgebers war, das Stiftungsrecht übersichtlicher und verständlicher für Stifter und Stiftungen zu regeln. Dadurch soll die Rechtssicherheit für Stifter, Stiftungen, Mitglieder von Stiftungsorganen, die zuständigen Behörden und andere Rechtsanwender geschaffen werden. 

Die wesentlichen Neuregelungen im Einzelnen:


1. Vermögen der Stiftung

Das Vermögen der Stiftung wird zukünftig in zwei Vermögensmassen unterschieden:  

  • das Grundstockvermögen und 
  • das sonstige Vermögen. 

Bei Verbrauchsstiftungen (Stiftungen auf Zeit) besteht das Stiftungsvermögen nur aus sonstigem Vermögen. 

Das Grundstockvermögen ist ungeschmälert zu erhalten und der Stiftungszweck ist mit den Nutzungen des Grundstockvermögens zu erfüllen. Durch die Erhaltungspflicht unterscheidet sich das Grundstockvermögen vom sonstigen Vermögen der Stiftung. Der Erhalt im tatsächlichen Bestand des Grundstockvermögens ist aber nicht zwingend notwendig, so dass ein Erhalt im Wert nominal wie real verstanden werden kann. 

Wir weisen darauf hin, dass die aktuelle Niedrigzinsphase viele Stiftungen vor besondere Herausforderungen stellt und die für die Verwaltung des Stiftungsvermögens Verantwortlichen den rechtlichen Rahmen von Zweck, Vermögen und Zweckverwirklichung konkretisieren sollten, da eine weitere Klarstellung seitens des Gesetzgebers bezüglich Vermögensregelungen, Ertragsverwendungen, Umschichtungsgewinnen sowie zum Kapitalerhaltungsgrundsatz zurzeit nicht vorgesehen ist. 


2. Änderungen der Stiftungssatzung  

Hier sind drei Fallgruppen zu unterscheiden: 

  • Beabsichtigter Austausch des Stiftungszwecks 

Zukünftig werden eine die Identität der Stiftung verändernde Beschränkung des Zwecks oder eine Umgestaltung in eine Verbrauchsstiftung möglich sein. Voraussetzung ist, dass die dauernde und nachhaltige Erfüllung des bisherigen Stiftungszwecks unmöglich ist und gleichzeitig gesichert ist, dass die Stiftung den neuen Zweck dauernd und nachhaltig erfüllen kann.  

  • Identität der Stiftung 

Wenn eine Anpassung der Stiftung an nach Stiftungserrichtung wesentliche veränderte Verhältnisse erforderlich ist, wird dies möglich sein. 

  • Andere Satzungsänderungen 

Andere Satzungsänderungen werden wie bisher ebenfalls zulässig sein. Dies betrifft insbesondere Änderungen, die den Stiftungszweck nicht berühren. 


3. Stiftungsorgane und deren Haftung 

Im Gesetz wird geregelt, dass eine Pflichtverletzung der Mitglieder des Organs nicht vorliegt, wenn das Mitglied des Organs bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsmäßen Vorgaben vernünftiger Weise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln. Diese sogenannte Business Judgement Rule (BJR bzw. Regel der geschäftlichen Beurteilung), die dem US-amerikanischen Rechtssystem entstammt, regelt und limitiert die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen gegenüber den Eigentümern des Unternehmens. Diese Neuregelung, die sich im Wesentlichen auf die Anlage des Stiftungsvermögens auswirkt, wird es Stiftungsorganen zukünftig ermöglichen höhere Risiken bei der Anlage des Stiftungsvermögens einzugehen. In der Vergangenheit mussten sie ihre persönliche Haftung fürchten, wenn das Stiftungsvermögen unter den in der Stiftungssatzung festgelegten Wert sinkt. Zudem wird künftig die Beweislast für ein Verschulden der Stiftungsorgane bei der Stiftung liegen. Diese Beweislastumkehr wird ebenfalls zu einer Risikoentlastung der meist ehrenamtlichen Mitglieder des Stiftungsvorstands und Stiftungsrats führen. 


4. Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen 

Unter der Zulegung ist die Übertragung des Stiftungsvermögens als Ganzes auf eine übernehmende Stiftung zu verstehen; bei der Zusammenlegung hingegen wird das Vermögen mehrerer Stiftungen auf eine neue Stiftung übertragen. Die Verfahren der Zulegung und Zusammenlegung werden zukünftig vereinfacht und beschleunigt. Gerade für notleidende Stiftungen sind diese Absichten des Gesetzes zu begrüßen. 


5. Die Schaffung eines zentralen Stiftungsregisters  

Das elektronische Stiftungsregister soll ab 1. Januar 2026 zentral vom Bundesamt für Justiz geführt werden. Alle bestehenden Stiftungen sind bis zum 31. Dezember 2026 darin anzumelden. Vorbild für das Stiftungsregister sind das Handelsregister oder Vereinsregister. Im Stiftungsregister werden zukünftig nicht nur die Vorstandsmitglieder und die besonderen Vertreter sowie deren Vertretungsbefugnis angegeben, sondern auch die Stiftungssatzung, jede Satzungsänderung und Dokumente über die Bestellung der Vorstandsmitglieder. 


Fazit 
Das Gesetz zur Reform des Stiftungsrechts ist zu begrüßen. Da die Neuregelung bereits zum 1. Juli 2023 in Kraft tritt, wird von Stiftungen erwartet, dass ihre jeweilige Satzung mit dem neuen Recht harmonisiert. Das hat einen hohen Beratungsbedarf von Stiftern, Stiftungen sowie Mitglieder von Stiftungsorganen zur Folge.  


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